“Wie viel Frieden steckt im “Friedensprojekt EU”?

Text: Fabian Zickler, Grafik via Canva

 

Seit die ersten Vorgängerorganisationen der Europäischen Union vor etwa 70 Jahren gegründet wurden, gab es keinen Krieg mehr zwischen den westeuropäischen Staaten. Die EU wird deshalb oft als “Friedensprojekt” bezeichnet. Die Realität sieht teils anders aus. In der Europäischen Union wird seit längerem eine stärkere Zusammenarbeit auf militärischer Ebene vorangetrieben. Während die gemeinsamen “Battle-Groups” bereits im Einsatz sind, fordern einige sogar ein gemeinsames EU-Heer, um weitere Aufrüstung zu betreiben. Zusätzlich zeigt sich in der europäischen Außenpolitik, dass die EU bereit ist, mit autoritären Staaten zusammenzuarbeiten, um die Profitinteressen von Konzernen zu schützen. Wir wagen einen genaueren Blick auf die Außenpolitik der EU und schauen, wie viel Frieden wirklich im “Friedensprojekt EU” steckt.

 

Auch wenn die europäische Integration nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig als “Friedensprojekt” bezeichnet wurde, standen immer schon wirtschaftliche Interessen im Vordergrund des Staatenbundes. Das europäische Projekt startete nicht etwa beim kulturellen oder wissenschaftlichen Austausch oder dem gemeinsamen Einsatz für Demokratie, sondern bei einer Zollunion für Kohle und Stahl. Auch die “vier Grundfreiheiten”, die etwas später festgelegt worden sind und bis heute gelten, ermöglichen den meisten Menschen nur, ohne Grenzkontrollen andere Länder besuchen zu können, haben in Wahrheit aber vor allem die Interessen großer Konzerne vor Augen, die jetzt ohne Hindernisse ihre Waren in Europa exportieren können. Das führt teilweise zu großen Ungleichheiten. In der Griechenland Krise hat sich schließlich gezeigt, wie die EU mit einer Regierung umgeht, die sich nicht den europäischen Konzernen, sondern der eigenen Bevölkerung verpflichtet sah: Große Teile der EU nutzten ihre politische Macht, um Griechenland ein neoliberales Regime aufzuzwingen. Aber auch nach außen tritt die EU rabiat auf, um ihre Interessen zu verteidigen.

EU-Außenpolitik

Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Westsahara. Die Westsahara ist ein Gebiet an der Atlantikküste Nordwestafrikas, das seit dem Abzug der spanischen Kolonialherren 1975 von Marokko annektiert wird. Die einheimischen Sahrauis beanspruchen für sich, einen eigenen, unabhängigen Staat zu gründen - das wird ihnen von Marokko verwehrt. Die Europäische Union hat sich lange kaum zu diesem Befreiungskampf geäußert, bis sie sich schließlich für die Fischereirechte in der Küste Nordwestafrikas interessierte. Im Zuge eines Assoziierungsabkommens mit Marokko wurde auch ein Handelsabkommen über diese Fischereirechte abgeschlossen, womit die Europäische Union die Besetzung der Westsahara durch Marokko stillschweigend hinnimmt. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Abkommen deswegen für ungültig erklärt. Und trotzdem zeigt sich hier, wie leichtfertig die Europäische Union eine Okkupation hingenommen hätte, nur um die eigenen ökonomischen Interessen in der Region zu vertreten.

Die Westsahara ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie die Europäische Union Freihandelsabkommen nutzt, um die Profite großer Konzerne zu schützen. Die EU hat etwa mit vielen afrikanischen Ländern solche Abkommen abgeschlossen, damit der Handel in diesen Ländern für Waren aus Europa “geöffnet” wird. Insbesondere mit den Preisen europäischer Agrargüter, die von der EU massiv subventioniert werden, können Unternehmen aus diesen Ländern oft nicht mithalten. Um den anderen Staaten diese nachteiligen Abkommen aufzuzwingen, nutzt die EU in den Verhandlungen oft die eigene Machtposition und die wirtschaftliche Abhängigkeit des Gegenübers aus.

Stark kritisiert wurden auch die geplanten Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten (TTIP) und Kanada (CETA). Diese Abkommen dienten nicht dazu, ärmere Staaten auszubeuten, sondern sollten Großkonzernen ausufernde Sonderrechte gewähren. In beiden Abkommen wurde vorgesehen, Konzernen Zugang zu privaten Sondergerichten zu ermöglichen, um so einen “Investitionsschutz” zu erhalten. Dieser Investitionsschutz sieht vor, dass Staaten für alle Gesetze, die sie erlassen, Schadenersatz zahlen müssen, wenn sie damit die Investitionen von Unternehmen gefährden. Der demokratische und rechtsstaatliche Prozess wird somit untergraben, um Gewinne von großen Konzernen mit Steuergeld zu schützen. Aufgrund des Protestes wurde das Abkommen mit den Vereinigten Staaten (TTIP) abgesagt. Das Abkommen mit Kanada (CETA) wurde in abgeänderter Variante abgeschlossen. Ähnliche Kritikpunkte betreffen aber auch neue Freihandelsabkommen, die abgeschlossen werden sollen, wie etwa das MERCOSUR-Abkommen mit den meisten südamerikanischen Staaten.

EU-Asylpolitik

In der Asylpolitik werden zunehmend Abkommen mit vermeintlich “sicheren Drittstaaten”, wie der Türkei oder Tunesien, geschlossen, um flüchtende Menschen davon abzuhalten, nach Europa zu kommen, damit sie hier keine Asylanträge stellen können. Das Prinzip der „sicheren Herkunftsstaaten“ ist menschenrechtlich fragwürdig und dient dazu, die unmenschliche Asylpolitik der Europäischen Union auszulagern. Darüber hinaus werden diese Deals mit fragwürdigen Regimen abgeschlossen, die so mit hunderten Millionen Euro von der EU unterstützt werden. Der autoritäre türkische Präsident verwendet den Türkei-Deal etwa, um damit von innenpolitischen Krisen abzulenken. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex wird gleichzeitig militarisiert, statt Menschen in Seenot zu retten.

EU-Rüstungspolitik

Spätestens seit dem Ukraine-Krieg gibt es endgültig Vorschläge, die EU zu militarisieren. Diskutiert wird etwa eine Ausweitung der „EU-Eingriffstrupps“, was nichts anderes als ein stehendes Heer der Europäischen Union wäre. Aber auch davor ist ein solches „EU-Heer“ diskutiert und in Österreich etwa von den NEOS gefordert worden. Argumentiert wird, dass man sich so von den Vereinigten Staaten unabhängiger machen und ein starkes Europa aufbauen könnte. In Wahrheit hat die Vergangenheit sehr gut gezeigt, dass die starken europäischen Staaten und die Europäische Union den amerikanischen Imperialismus vollinhaltlich mittragen. Die Forderung eines EU-Heeres ist also einfach eine verdeckte Aufrüstung, die neutrale Staaten wie Österreich in den nächsten Krieg ziehen könnte.

Der Außenhandel, das Asylwesen und die Rüstungspolitik sind nur drei Bereiche, wo sich das wahre Gesicht der Europäischen Union zeigt. Die Interessen der Reichen und Mächtigen werden mit politischem, wirtschaftlichem und militärischem Druck überall auf der Welt durchgesetzt. Von einem Projekt für Frieden und Gerechtigkeit ist wenig übrig. Stattdessen müssen wir für eine Politik der internationalen Solidarität kämpfen!