Text: Florian Kögler
11. September 1973, Chile: Das Militär erhebt sich unter der Führung von General Augusto Pinochet gegen die demokratisch gewählte Allende Regierung. Der Präsidentenpalast wird zuerst bombardiert, dann vom Militär gestürmt. Salvador Allende wird tot am Boden liegend aufgefunden, das Militär übernimmt die Regierung.
Was ist passiert?
Blicken wir zurück in das Jahr 1970: Salvador Allende gewinnt als sozialistischer Kandidat des linken Parteienbündnisses Unidad Popular die Präsidentenwahl in Chile. Mit seiner Wahl sieht die Linke nicht nur die Chance auf soziale Verbesserungen, sondern sogar die Möglichkeit der demokratischen Durchsetzung des Sozialismus - eines gänzlich neuen Wirtschaftssystems. Ein System, in dem nicht mehr die großen Konzerne das Land und die Bevölkerung für immer höhere Profite ausbeuten können, sondern die Arbeiter*innen die Kontrolle über den Staat und die Wirtschaft erlangen.
Das war bitter notwendig, denn Chile hatte stark mit Arbeitslosigkeit, Armut und Obdachlosigkeit zu kämpfen. Das sind keine Naturphänomene; sie haben einen realen politischen Grund. Chile wird nämlich von westeuropäischen und insbesondere amerikanischen Unternehmen ausgebeutet. US-amerikanische Unternehmen betrachteten Chile quasi als ihr Firmeneigentum. Der Abbau der wertvollen Kupfervorkommen in Chile beispielsweise, der die Lebensader der chilenischen Wirtschaft darstellt, wurde fast ausschließlich von US-Konzernen gefördert. Der chilenische Wohlstand blieb also nicht im eigenen Land, sondern wurde vor allem in die USA, aber auch nach Westeuropa exportiert. Die Chilen*innen mussten in Armut leben, damit westliche Großkonzerne ihren Profit machen konnten.
Unter diesen Umständen entschloss sich die chilenische Bevölkerung, einen sozialistischen Präsidenten zu wählen, der ein massives Reformprogramm auf den Weg bringen wollte. Gesetzlich durchgesetzte Lohnerhöhungen, Enteignungen großer Konzerne, ein Programm, welches allen Kindern Chiles einen halben Liter Milch pro Tag gratis garantieren sollte, wollte die Allende Regierung durchsetzen. Durch dieses Programm kam es auch zu einer revolutionären Stimmung innerhalb der Bevölkerung. Arbeiter*innen besetzten Fabriken, Bäuer*innen und Obdachlose besetzten Land von Großgrundbesitzern. Man wollte der eigenen Ausbeutung nun selbst ein Ende bereiten.
Der Widerstand lässt nicht lange auf sich warten.
Allende stieß schnell auf Widerstand. Das Parlament war mehrheitlich gegen ihn, so wie die Mehrheit der Richter, die in Chile auf Lebenszeit gewählt wurden und hauptsächlich aus wohlhabenden Schichten kamen. Genauso rekrutierten sich das Militär und die Polizei vor allem aus reichen Chilenen, die noch dazu häufig ihre Ausbildung in den USA genossen haben und somit Allende nicht gerade freundlich gegenüberstanden.
Auf der einen Seite stand Allendes Weg zum Sozialismus der Staat gegenüber, der darauf ausgelegt war, Profitinteressen großer Unternehmen durchzusetzen, anstatt der Bevölkerung zu dienen. Auf der anderen Seite wurde die Allende-Regierung von diesen großen Unternehmen unter Druck gesetzt. An erster Stelle standen hier US-Konzerne, die sich direkt nach Allendes Wahl mit der Forderung an die US-Regierung wandten, die neu gewählte Regierung zu stürzen.
Die USA kommen diesen Forderungen gerne nach: Auf der einen Seite hatten sie schon damals eine lange Geschichte von Militärinterventionen und Wirtschaftsblockaden, um die Profitinteressen von US-Konzernen zu sichern. Auf der anderen Seite sehen es die USA als ihre Aufgabe an, das Entstehen eines alternativen Wirtschaftssystems zum Kapitalismus zu verhindern, wo immer auf der Welt das auch sein mag. Überall, wo ein sozialistisches Modell probiert wird, stehen die USA auf dem Plan, um dieses zu sabotieren und zu Fall zu bringen. So auch in Chile.
Die USA haben schon bei Allendes Präsidentschaftskandidatur 1964 den Ausgang der Wahlen so manipuliert, dass er möglichst verliert, und haben dies auch 1970 versucht. Als sie seine Präsidentschaft nicht mehr verhindern konnten, taten sie alles, um seine Amtszeit zu sabotieren. Die USA stellten so gut wie alle Exporte nach Chile ein, auf die man nach Jahren der Abhängigkeit angewiesen war. Der einzige Bereich, der von den USA weiter beliefert wurde, war das chilenische Militär. Und das hatte einen Grund.
Der Putsch und seine Folgen
Am 11. September 1973 wandte sich der Oberbefehlshaber des Heeres, Augusto Pinochet, gegen die Regierung. Das Militär war durch die USA gut ausgerüstet und Allende hatte durch sein Vertrauen in den Gehorsam der staatlichen Organisationen die Gefahr nicht kommen sehen. Es war für Pinochet also ein Kinderspiel, die wichtigen Machtzentren des Landes zu besetzen. Allende starb noch am selben Tag im Präsidentenpalast, nachdem dieser bombardiert wurde, vermutlich durch Suizid. Pinochet hat die Macht in Chile ergriffen. Nun begann eine Jagd auf Linke und Oppositionelle, die verfolgt und ermordet wurden. Durch die großzügige Unterstützung der USA und deren Großkonzernen konnte Pinochet eine faschistische Militärdiktatur errichten.
Die US-Konzerne hatten ihre Ziele erreicht. Unter Allende an die Chilen*innen zurückgegebene Unternehmen wurden wieder privatisiert, die Ausbeutung und Demütigung am Arbeitsplatz kam zurück. Doch damit nicht genug, Chile wurde ein Labor für eine gänzlich neue Form des Kapitalismus, die sich als die brutalste bisher herausstellen sollte: Der Neoliberalismus.
Pinochet, beraten von in den USA ausgebildeten Ökonomen, setzte weitgehende neoliberale Reformen um. Er trieb die Privatisierung der Wirtschaft weiter voran, setzte großangelegte Sparmaßnahmen durch, mit denen er Sozialhilfen für Chilen*innen abschaffte. Nebenbei schloss er Freihandelsabkommen ab, die es ausländischen Unternehmen noch einfacher machen sollten, Chile auszubeuten. Diese Maßnahmen führten dazu, dass auf der einen Seite die Armut der Bevölkerung und auf der anderen Seite die Profite der Unternehmen in die Höhe schossen. Schon wenige Jahre nach dem Putsch lebten mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Armut. Der Faschismus in Chile prägte das Land für Jahrzehnte und hat bis heute noch Auswirkungen auf die Politik und die Bevölkerung des Landes.
Unsere Lehren daraus
Als Sozialistische Jugend gedenken wir dem Putsch in Chile, der sich heuer zum 50. Mal jährt, denn hier wurde eine Regierung gestürzt, die sich für Freiheit und soziale Gerechtigkeit eingesetzt hatte. Eine Regierung, die ein Wirtschaftssystem errichten wollte, das nicht Profit für die Wenigen, sondern Wohlstand für die vielen schaffen sollte. Diese Regierung wurde nicht durch Zufall von einer faschistischen Diktatur, unterstützt von den USA, gestürzt. Denn überall auf der Welt, wo Sozialist*innen erfolgreich sind, stellt sich ihnen der Faschismus in den Weg. Die großen Konzerne halten nur so lange an der Demokratie fest, solange ihre Profitinteressen nicht gefährdet werden. Deshalb müssen wir auch heute wachsam bleiben, wenn Rechte sich gegen progressive Kräfte wenden, denn Chile zu gedenken heißt auch, aus der Geschichte zu lernen.