Jugendumfrage zu Politik und Demokratie
Umfrage zeigt: Politikverdrossenheit ist ein Mythos & Demokratie laut Jugendlichen in Gefahr
Trotzdem fühlen sich mehr als ⅔ aller Jugendlichen in der Donaustadt nicht von Politik gesehen
Im wahrsten Sinn des Wortes sehen wir jedes Jahr im Sommer unsere Erde brennen, während die Politik nichts dagegen unternimmt und sich höchstens (mit Privatjets) zu Schein-Klimagipfeln bewegt. Unser aktuelles Wirtschaftssystem, der Kapitalismus, belohnt Umweltzerstörung und Ausbeutung gleichzeitig mit höheren Profiten und die Demokratie wird durch die immer stärker werdende Rechte gefährdet. Dass all das nicht spurlos an uns als Jugend vorbeigegangen ist, ist klar. Eine Umfrage der Sozialistischen Jugend Donaustadt bringt dazu nähere Einblicke und Zahlen.
Jugend und Politik, zwei Begriffe, die traditionell selten miteinander in Verbindung gebracht werden. Wenn, dann wohl eher in einem negativen Zusammenhang: Schon seit Jahrzehnten wird in Österreich nämlich von einer Politikverdrossenheit der Jungen gesprochen. Die Jugend, als wäre das eine gleichmäßige Einheit, würde sich kaum für Politik interessieren und daher auch nicht politisch engagieren wollen. So oder so ähnlich lautet die in der realpolitischen Praxis oft von Konservativen propagierte Erzählung. Die Politikverdrossenheit ist dabei auch eine bequeme Ausrede: Wenn wir kaum repräsentiert werden und sich unsere Interessen nicht in Wahlprogrammen widerspiegeln, dann sind wir als Jugend einfach selber daran schuld, schließlich sind es ja wir, die sich nicht politisch engagieren wollen und nicht die Politik, die uns und unsere Zukunft konsequent vernachlässigt. Fakt ist aber: Die Jugend ist keineswegs politikverdrossen.
Bei einer Jugendumfrage der Sozialistischen Jugend Donaustadt, die kurz vor der letzten Nationalratswahl an öffentlichen Orten des 22. Wiener Bezirks durchgeführt wurde, gaben rund 84% der Befragten an, sich für Politik zu interessieren. Ein Ergebnis, das der Erzählung der “Politikverdrossenheit” klar widerspricht. 2024 hat das FORESIGHT Institut im Auftrag des Parlaments eine Befragung zum Thema “Junge Menschen & Demokratie” durchgeführt, die dieses Ergebnis bestätigt: Weit mehr als die absolute Mehrheit der jungen Menschen informiert sich regelmäßig über Politik, von einem fehlenden Interesse an Politik kann also keinesfalls gesprochen werden! Gleichzeitig war aber weniger als die Hälfte der Befragten der Jugendstudie des FORESIGHT Instituts der Meinung, das politische System in Österreich funktioniere “sehr gut” oder zumindest “ziemlich gut”, 2018 gaben das noch rund 69% an. Genauso erschreckend: Gerade einmal ein Drittel der Befragten gaben an, sich im Parlament gut vertreten zu fühlen. Die lokale Befragung der sj22 kann dieses Ergebnis unterstreichen: Dort gaben rund 72% der Jugendlichen an, sich nicht von der Politik gesehen zu fühlen.
Nun kann also eindeutig gesagt werden, dass die meisten Jugendlichen durchaus ein Interesse an Politik haben, gleichzeitig aber auch den Institutionen der bürgerlichen Demokratie immer weniger vertrauen. Worin liegen die Ursachen dafür? Eine weitere Frage, die gestellt werden muss: Wenn sich junge Menschen tatsächlich so für Politik interessieren, aber gleichzeitig viele Probleme in unserer aktuellen Welt sehen, wieso engagieren sie sich dann nicht vermehrt in Parteien, Vereinen und gemeinnützigen Organisationen, um sich für eine Veränderung der aktuellen Zustände einzusetzen? Die möglichen Antworten darauf sind vielfältig: Unsere Gesellschaft hat sich durch die digitale Tech-revolution grundlegend verändert: Das Ausmaß von sozialen Beziehungen hat besonders bei jungen Menschen abgenommen, wir sind dadurch häufiger einsam und depressiv und die Hürden, sich in sozialen Kreisen wie politischen (Jugend-) Organisationen zu engagieren, sind höher.
Die Haupterklärung dafür, warum sich junge Menschen, trotz der vielen Probleme die sie in der Welt sehen, nicht politische engagieren, ist aber recht simpel: Die meisten von uns sind mittlerweile einfach der Meinung, selbst mit politischem Engagement nichts bewirken zu können. Das geht Hand in Hand mit einem generellen Vertrauensverlust in die Politik, aber vor allem auch in Politiker*innen. Selbst wenn man sich nicht mit Politik beschäftigt, haben die vielen Korruptionsskandale der letzten Jahre wohl praktisch alle jungen Menschen mitbekommen. Aber auch das schiere Ausmaß der Probleme führt sicher dazu, dass viele kaum mehr der Meinung sind, etwas bewirken zu können: Der Klimawandel ist mit den immer heißer werdenden Sommern zwar für uns alle sehr erfahrbar, was genau man aber als Einzelperson gegen dieses globale, unendlich komplexe Problem tun soll, bleibt aber unbekannt. Vor allem bei diesem Thema traut die Jugend der Politik kaum Lösungen zu.
Bei der Befragung der SJ22 gaben außerdem rund zwei Drittel der Befragten an, die Demokratie sei ihrer Ansicht nach in Gefahr. Auch wenn so viele von uns also ein Gespür dafür haben, dass die Stimmung in Österreich zunehmend autoritärer, rechter und rassistischer wird und es viele beunruhigt, dass die FPÖ als rechtsextreme Kraft an immer mehr Macht gewinnt, wissen die meisten einfach nicht was genau sie dagegen ausrichten können.
Zusammenfassend lässt sich sicher sagen: Wenn Jugendliche sich nicht politisch engagieren wollen, dann nur deshalb, weil die Politik uns ständig das Gefühl gibt, dass wir es entweder nicht sollen oder, dass wir ohnehin nichts ändern können! Was aber gerade deshalb unsere oberste Aufgabe sein muss: Der Jugend muss klargemacht werden, dass wir auf jeden Fall etwas verändern können! Die Probleme unserer Welt sind lösbar und wenn wir sie nicht angehen, dann tut es niemand! Und ja, auch wenn die Ursachen für den Klimawandel und der Gefahr, in der sich die Demokratie befindet, vielfältig und tiefgehend sind, gemeinsam kann ein erster kleiner Schritt gemacht werden: Als junge Menschen aufzustehen und zusammen im Protest gegen den Mythos der Politikverdrossenheit aktiv zu werden! (z.B. bei der Sozialistischen Jugend)
Text: Raphael Prinz